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13.04.2016: Stippvisite "Von der Dampfheizung zum Blockheizkraftwerk"

Spannende Reise in den Untergrund

Die siebte medizinhistorische Stippvisite beleuchtete das, was für Besucher des Universitätsklinikums Erlangen normalerweise im Dunkeln liegt: die Haustechnik. Robert Stark, Leiter des Dezernats Gebäudewirtschaft, nahm seine Zuhörer mit seinem Vortrag "Von der Dampfheizung zum Blockheizkraftwerk" zunächst mit auf eine Zeitzeise durch die technische Geschichte des Uni-Klinikums Erlangen. Anschließend ließen er und sein Kollege Holger Witzky, stellvertretender Leiter der Fachabteilung Technischer Dienst, ihre großen Schlüsselbunde klirren und öffneten den interessierten Gästen die Türen zu den technischen Versorgungsräumen unterhalb des Internistischen Zentrums.

Robert Stark freute sich am Mittwochabend (13.04.2016) bei der medizinhistorischen Stippvisite in der Haustechnik über jeden Teilnehmer. "Wir Techniker werden in der Regel wenig beachtet, schließlich arbeiten wir im Unter- und Hintergrund", erklärte der Diplomingenieur zu Beginn seines Vortrags. "Trotzdem läuft in keiner Klinik in Deutschland mehr irgendetwas ohne die Technik und ihre fleißigen Helfer." Besonders in einem Krankenhaus der Maximalversorgung wie dem Uni-Klinikum Erlangen sei das technische System in seiner Komplexität, Modernität und Vielseitigkeit von außen kaum abzuschätzen. So ist Robert Stark unter anderem Herr über drei Module eines Blockheizkraftwerks, über 4.477 Türen, 118 Aufzugsanlagen und 7 km Rohrpostleitungen. Zusätzlich ist er der Kopf eines Teams aus rund 110 technischen Mitarbeitern und Auszubildenden.

Dampfleitungen unter dem Schlossgarten

Die Haustechnik, das merkten die Zuhörer schnell, ist oft das, worauf die wenigsten im ersten Augenblick achten. Robert Stark zeigte seinem Publikum Gebäudeaufnahmen des Uni-Klinikums Erlangen, datiert um die Jahrhundertwende - aber statt über die abgebildeten Röntgengeräte oder die beeindruckende Barockbauweise zu sprechen, deutete er auf etwas anderes: "Schauen Sie mal, wie viele Kamine da oben auf den Dächern sind! Da wurde ordentlich gefeuert." Auf weiteren Bildern machte der Ingenieur auf die großen Heizkörper im Hintergrund oder die ersten elektrischen Lampen aufmerksam, die von der Decke eines Krankensaals hingen. "Elektrisches Licht! Eine großartige Innovation damals!", erklärte er begeistert. Eines der ersten Dampfversorgungssysteme auf dem Gelände des Uni-Klinikums Erlangen war eine an der Östlichen Stadtmauerstraße gelegene Dampfwaschküche mit einer durch Steinkohle befeuerten Dampfkesselanlage von 1900. Die Heizer lebten hier noch im Dachgeschoss. Einige Jahrzehnte später wurde die Anlage durch eine modernere kohlebefeuerte Kesselanlage nördlich gegenüber dem Menge-Bau ersetzt. "Damals rauschte und ratterte es ab und zu ganz ordentlich in den Rohren - so mancher Patient und Arzt wird sich des nachts wohl eine ruhigere Heizung gewünscht haben", erklärte Robert Stark mit einem Lächeln. Genutzt wurde der Dampf nicht nur zum Heizen, Waschen und Kochen sondern ebenfalls um medizinische Instrumente zu sterilisieren. So wie früher ist auch heute noch, beispielsweise im Versorgungszentrum und in den zwei Zentralsterilisationsabteilungen des Uni-Klinikums Erlangen, Dampf bei der Medikamentenherstellung und zur Aufbereitung von medizinischen Instrumenten ein unverzichtbares Medium.

Im Jahr 1953 wurde mit dem Aufbau eines im Innenstadtgebiet weitverzweigten Hochdruckdampfnetzes begonnen. 1978 erstreckte sich das Dampfleitungsnetz über eine größere Fläche als je zuvor und umspannte zum Beispiel den Erlanger Schlossgarten, das sogenannte Universitätskrankenhaus, die Hals-Nasen-Ohren-Klinik am südlichen Bohlenplatz, die Strahlenklinik im Osten und den in diesem Jahr fertiggestellten ersten Bauabschnitt der Kopfkliniken im Norden. Im Jahr 1994 umfasste das Hochdruckdampfleitungsnetz 5,6 Kilometer an verlegten Dampf- und Kondensatleitungen, zahlreiche erdverlegte Dehnungsausgleichbögen und Kompensatoren, 78 einzelne Schachtbauwerke mit Schiebern, Dampf- und Kondensatableitern, Verteiler sowie Mess- und Zähleinrichtungen - ein hochkomplexes System. Die Gasversorgung des Uni-Klinikums Erlangen und der FAU übernahmen die Erlanger Stadtwerke mit Sattdampf - 176 Grad Celcius Betriebstemperatur und 8,6 bar Überdruck.

Eigenversorgung durch das Blockheizkraftwerk

Doch bei aller Versorgungskapazität - eines war das weitläufige Dampfleitungsnetz nicht: ökologisch. "So ein Dampfnetz kann man nicht einfach nach Belieben an- und ausschalten", erklärte Robert Stark. "Das System muss ständig, das heißt, auch im Sommer, in Betrieb bleiben, um für die großdimensionierten Rohrleitungen schädliche Temperaturwechsel und damit kostenintensive Reparaturen zu vermeiden." Anfang der 1980er-Jahre fand schließlich ein gesellschaftlicher Bewusstseinswechsel zugunsten umweltverträglicher Technik statt. Am Uni-Klinikum Erlangen sprangen die Technikexperten engagiert auf den Zug der Moderne und unterstützten die Umstellung des Hochdruckdampfsystems (HDD) auf ein Heißwassernetz (HW), das energiesparender und wirtschaftlicher betrieben werden kann. Die Eröffnung des neuen Bettenhauses des Chirurgischen Zentrums im Jahr 2013 markierte die Fertigstellung des HW-Netzes. Seit 2002 ist außerdem ein Blockheizkraftwerk mit heute drei Modulen im Neubau des Internistischen Zentrums in Betrieb. "Mit dieser hochmodernen Anlage kann sich das Internistische Zentrum weitgehend autark und kostengünstig mit elektrischer Energie und Wärme versorgen", berichtete Robert Stark. Ebenfalls setzt das Dezernat Gebäudewirtschaft auf regenerative Energien wie Fotovoltaik, Solar- und Geothermie.

Schnell, schneller, Rohrpost

Durch eine Automatisierung und detailgenaue IT-unterstützte Überwachung haben die Techniker das spinnennetzartige Heiz-, Kühl- und Stromsystem immer im Blick. Ausfälle gibt es selten und können, im Falle des Falles, durch Notstromaggregate nahezu nahtlos ausgeglichen werden. "Aber es gibt in einem Krankenhaus Bereiche, in denen der Stromfluss keine Sekunde unterbrochen werden darf, zum Beispiel im OP oder dort, wo Patienten beatmet werden müssen. Deshalb ist unser System an diesen Stellen mit Hochleistungsbatterien besonders gut abgesichert, damit nichts passieren kann", versicherte Robert Stark, als er die Besuchergruppe für den praktischen Teil der Stippvisite mit unter die Erde, auf die Versorgungsebene des Internistischen Zentrums, nahm. Auf dem Weg zeigte der Diplomingenieur Holger Witzky den staunenden Technikinteressierten die Rohrpostanlage, die am Uni-Klinikum Erlangen bereits seit 40 Jahren in Betrieb ist. Schnell und platzsparend können über die roten Kapseln, die nahezu unbemerkt durch das insgesamt 7 Kilometer lange Rohrnetz rauschen, Blut- und Gewebeproben sowie Medikamente zwischen Stationen und Labors verschickt werden. Rund 2.200 Sendungen schafft die Anlage am Tag, die jede Kapsel mittels eines Gebläses mit einer Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h an ihr Ziel schicken kann. "So schnell läuft niemand durch die Gänge", erklärte Holger Witzky.

Unterirdische Autobahnen

Im zweiten Untergeschoss betraten die Stippvisitenbesucher eine andere Welt: Während über ihren Köpfen der normale Klinikumsbetrieb ablief, war es hier unten deutlich stiller - und wärmer, denn Hunderte Maschinen erzeugen eine Menge Nebenenergie. Mal hier, mal da schloss Holger Witzky neugierigen Augen eine Tür auf, erklärte Heiz- und Kühlanlagen, Ölschmiersysteme und die Aufzugstechnik. Das Gelände des Uni-Klinikums Erlangen ist groß und manchmal muss es für die Techniker auch schnell gehen: So erinnern auf der Versorgungsebene die breiten Gänge mit ihren Leitplanken und Schildern eher an eine unterirdische Autobahn, auf der die Mitarbeiter mit dem Fahrrad oder kleinen Elektrofahrzeugen zu ihren Einsatzorten fahren können.

Am Ende der Führung waren die Stippvisitenbesucher voll des Lobes für Robert Stark und sein Team. "So viel Herzblut und Begeisterung für seinen Job zu haben und die Freude auch noch an andere weitergeben zu können, das ist doch klasse", resümierte ein Teilnehmer, bevor er mit dem Kopf voller neuer Eindrücke nach Hause ging.

Stippvisite Haustechnik

Stippvisite Haustechnik

Die Rohrpostanlage des Uni-Klinikums Erlangen verschickt Laborproben und Medikamente beinahe unbemerkt durch Rohre in Wänden und Decken. Foto: Uni-Klinikum Erlangen

Stippvisite Haustechnik

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Sonst unbemerkt, bei der Stippvisite der Haustechnik aber im Fokus: Die Rohre und Leitungen für Heizung, Kühlung und Wasser. Foto: Uni-Klinikum Erlangen

Stippvisite Haustechnik

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Die Heizzentrale im Internistischen Zentrum. Foto: Uni-Klinikum Erlangen

Stippvisite Haustechnik

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Unterhalb des Internistischen Zentrums sieht es in manchen Gängen aus, wie auf einer Autobahn. Damit die Techniker schnell an ihren Einsatzort kommen, sind die Gänge wie gemacht für Elektrofahrzeuge und Fahrräder. Foto: Uni-Klinikum Erlangen

Stippvisite Haustechnik

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Hochleistungsbatterien sorgen dafür, dass an Orten, wo der Strom niemals ausfallen darf, immer Energie bereit steht. Foto: Uni-Klinikum Erlangen

Stippvisite Haustechnik

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Robert Stark, Leiter des Dezernats Gebäudewirtschaft, nahm seine Zuhörer mit auf eine Reise durch die technische Zeitgeschichte des Uni-Klinikums Erlangen. Foto: Uni-Klinikum Erlangen

Stippvisite Haustechnik

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Holger Witzky, stellvertretender Leiter der Fachabteilung Technischer Dienst, führte die technikinteressierten Stippvisitenbesucher hinunter auf die Versorgungsebene des Internistischen Zentrums. Foto: Uni-Klinikum Erlangen