200 Jahre Universitätklinikum Erlangen 1815-2015
328 Karl-Heinz Leven »Beide Professoren haben Waffenscheine beantragt« DER »ERLANGER PROFESSOREN STREIT« 1963/64 »Wollen sich die Herren Professoren jetzt duellieren?«, fragte die Nürnberger Boulevardzeitung »8 Uhr-Blatt« in einer Schlag zeile am 21. Januar 1964. Ein in der deutschen Krankenhausgeschichte wohl einzig- artiger Konflikt, der in verschiedenen anekdotischen Versionen bis heute am Erlanger Klinikum kursiert, hatte seinen Höhepunkt erreicht. Die Kontrahenten waren Gerd Hegemann (1912–1999), Lehrstuhlinhaber für Chirurgie und Direktor der Erlanger Chirurgischen Universitätsklinik (1955–1977) und sein Oberarzt Karl Heinz [später: Julius] Hackethal (1921–1997). Hegemann hatte Hackethal 1956 nach Erlangen geholt, ihr Verhältnis entwickelte sich zunächst vertrauensvoll. Hegemann förderte den innovativen Hackethal, der als Unfallchirurg Furore machte und eine wegweisende Methode der Fixierung (»Bündel- nagelung«) entwickelte. Als sich der habilitierte Chirurg Hackethal im September 1961 auf eine Chefarztposition in Bremen bewarb, bescheinigte ihm Hegemann in einem Zeugnis, dass er »hervorragende Forschungsarbeit« leiste, ein »perfekter Bauch chirurg«, »ein guter Arzt und ein tatkräftiger Mann mit einem sauberen klaren Charak- ter«, außerdem »menschlich absolut zuverlässig« sei. 1 1962 befürwortete Hegemann die Verleihung des Professorentitels an Hackethal und setzte sich ein Jahr später er- folgreich für dessen Verbeamtung auf Lebenszeit ein. Doch nur kurze Zeit später sollte es zur Eskalation kommen, die seither als »Erlanger Professorenstreit« bekannt ist. Die diesbezüglichen Akten, rund ein laufender Meter im Erlanger Universitätsarchiv, werden hier erstmals für eine historische Darstellung herangezogen. Als Hegemann im November 1963 einen neuen leitenden Oberarzt ernannte, fühlte sich Hackethal übergangen und griff seinen Chef in beleidigender Weise an. Hackethal forderte ultimativ eine leitende Position und wollte in der Klinikhierarchie unmittelbar nach Hegemann hervorgehoben sein; als ihm Hegemann dies verweigerte, drohte Hackethal (»Das ist Ihr Untergang«) 2 und ging polemisch an die (Universitäts-) Öffentlichkeit. Im Gegenzug beantragte Hegemann ein ministerielles »Dienststrafver- fahren« gegen seinen renitenten Oberarzt. Damit waren zumindest die Fronten geklärt, und in den folgenden Monaten entwickelte sich der Konflikt entlang dieser Linie mit stets erhöhtem Einsatz. Der Dekan der Medizinischen Fakultät, der Rektor der Uni- versität und das Ministerium in München standen in pausenlosem Schriftwechsel mit Hegemann und Hackethal. Zunächst sollte noch ein Kompromiss gefunden werden, indem Hegemann anbot, man beachte die Terminologie 20 Jahre nach Ende des »Drit- ten Reiches«, Hackethal über persönliche Verbindungen »den Übertritt in die Wehr- macht zu ermöglichen«. 3 Nachdem Hackethal im November 1963 in seiner Vorlesung nach Form und Inhalt massive Vorwürfe gegen Hegemann erhoben und dessen Ablösung gefordert hatte, Abb. 1 »Waffenschein beantragt« – 8-Uhr- Blatt, 21. Januar 1964.
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