200 Jahre Universitätklinikum Erlangen 1815-2015
330 Karl-Heinz Leven Abb. 3 Werbeaushang der »Quick« zum Professorenstreit. war gewaltig, 70 Flaschen wurden geleert, stellte die »Abendpost« (15./16. Februar 1964) befriedigt fest. 11 Der »Professorenstreit« zog erhebliche Kreise in der Chirurgischen Klinik, der Me- dizinischen Fakultät, der Universität und ihren Gremien, der ärztlichen Fachöffentlichkeit (Hochschulverband, Ärztlicher Kreisverband), bei Studierenden und der allgemeinen Öffentlichkeit. Eine Schlüsselrolle spielte hierbei die Presseberichterstattung. Schon die Wortprägung »Professorenstreit« war geeignet, in der Öffentlichkeit bestimmte Asso ziationen wachzurufen: insbesondere in der Boulevardpresse (»8 Uhr-Blatt«, »BILD«, »Quick«), aber auch in seriösen Tageszeitungen, Nachrichtenmagazinen (»Süddeutsche Zeitung«, »Die ZEIT«, »SPIEGEL«) und im Rundfunk (BR, 1. Programm) wurde der Ein- druck vermittelt, dass innerhalb der rigiden Machtstrukturen einer hierarchisch geglie- derten Klinik ein tüchtiger und sehr ehrgeiziger Mitarbeiter von einem möglicherweise nicht ganz so fähigen Chef in seine Schranken gewiesen würde. Mit einer restriktiven Informationspolitik geriet insbesondere das Rektorat in den Ruf, »etwas vertuschen zu wollen«. 12 Diese offene Flanke nutzte Hackethal weidlich aus, indem er ständig neue Vorwürfe lancierte und sich konsequent über eine ministerielle Anweisung hinwegsetzte, bis zur Klärung der Vorwürfe zu schweigen. Die Kioske im Umfeld der Klinik präsentier- ten stets die neuesten Schlagzeilen zum »Krieg an der Erlanger Uni« (»Quick«), so etwa »Kranke in Angst, weil Professoren streiten« (»8 Uhr-Blatt«, 17. Januar 1964) oder »74 Todesopfer durch Menschenversuche in Erlangen?« (8. Mai 1964). 13 Zwei Suizide von Erlanger Ärzten wurden von der Boulevardpresse, ohne jede Evidenz, mit dem »Profes- sorenstreit« in Verbindung gebracht. Bei den potenziellen Patienten in Erlangen und Umgebung regten sich Unverständnis und Besorgnis, die Universitätsklinik Erlangen aufzusuchen, wie man im Rektorat betroffen notierte. 14 Hegemann hingegen hielt sich gegenüber der Presse stark zurück, sandte jedoch fast täglich Bulletins an den Rektor, in denen er neue Belege für das unbotmäßige Verhalten Hackethals vorlegte. Hegemann lehnte das Wort »Professorenstreit«, das ein beiderseitiges Engagement implizierte, als »Mißgriff und journalistische Verzerrung« entschieden ab. 15 Ebenso weigerte er sich, irgendeiner Art von »Kom- promiss« zuzustimmen. Eine besondere Rolle spielten die Studierenden, deren Verhalten von den Kontrahenten sehr genau kalkuliert wurde; Hegemann machte einen »Haupträdelsführer der Studentenunruhen« aus, der ein Doktorand Hackethals sei. 16 Hackethal selbst versuchte, die Studenten gegen Hegemann auszuspielen und die Fachschaft unter Druck zu setzen. Die Studenten, so das »8 Uhr-Blatt« am 5. Februar 1964 höhnisch, hätten »den Mut nicht gerade gepachtet«, da sie ihre Sympathien für Hackethal »aus Angst vor etwaigen Folgen«
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