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24.02.2016: Stippvisite Strahlende Erkenntnis - Geschichte der Radiologie

Von der Locke bis zur Socke

"Strahlende Erkenntnisse" in erster medizinhistorischer Stippvisite

Der 200. Geburtstag des Uni-Klinikums ist kein Monolith, sondern ein Mosaik aus vielen kleinen Einzelchroniken seiner Kliniken und Institute. Um Interessierten genaueren Einblick zu geben, wie sich die Disziplinen der Erlanger Medizin in den vergangenen Jahren gewandelt haben, lädt das Uni-Klinikum zu insgesamt acht medizinhistorischen Stippvisiten ein. Das Radiologische Institut (Direktor: Prof. Dr. Michael Uder) machte am 24.02.2016 den Auftakt und begeisterte seine Besucher mit spannenden Einblicken in seine Geschichte, aber auch in das Innenleben eines singenden Tanzschneemanns.

"Berta, kannst du mal kommen?" So oder ähnlich muss Wilhelm Conrad Röntgen 1895 nach seiner Frau gerufen haben, um sie zu bitten, das erste Untersuchungsobjekt seiner neuen Entdeckung zu werden: Mit Hilfe einer Röntgenlampe und einem Film gelang es ihm, ein unscharfes, aber erkennbares Bild der Handknochen seiner Ehefrau aufzunehmen. Der wissenschaftlichen Tragweite seiner Entwicklung war sich Wilhelm Conrad Röntgen durchaus bewusst, schließlich hatte er doch gerade das erste "Foto" menschlicher Knochen geschossen. Aus Liebe zur freien Forschung meldete er aber kein Patent an, weil er die Technik rasch voranbringen wollte, statt sie durch bürokratische Hürden zu behindern. 1901 erhielt er für seine bahnbrechende Entdeckung den ersten Nobelpreis für Physik. "Röntgenstrahlen", erklärte Prof. Michael Uder den über 60 Besuchern der Stippvisite am Mittwochabend, "haben schneller als jede andere Entdeckung in der Medizin Eingang in die Routine gefunden. In beinahe allen Teilbereichen der Medizin werden bildgebende Verfahren zur Diagnose genutzt."

Seit jenem Tag im Jahr 1895 an dem Berta Röntgen zwei Stunden stillsitzen musste, damit ein einziges Bild ihrer Hand entstand, hat sich die Radiologie mehrfach übertroffen und weiterentwickelt. Nicht einmal ein Vierteljahr nach diesem ersten Bild stellte die Firma Siemens das erste erwerbbare Röntgengerät vor. In den kommenden Jahren entwickelten Forscher schnellere, produktivere und schonendere Geräte und Verfahren mit denen sie immer tiefer und hochauflösender in den menschlichen Körper blicken konnten. Mit der Etablierung der Sonografie, der Computertomografie (CT) und der Magnetresonanztomografie (MRT) Anfang der 1970er Jahre erfuhr die Radiologie als bildgebende medizinische Wissenschaft einen dreidimensionalen Durchbruch. Aktuell können die Radiologen des Uni-Klinikums in Sekundenschnelle mehrere Tausend Bilder "von der Locke bis zur Socke" des Patienten schießen, in seine kleinsten Blutgefäße schauen und sogar die Bewegung von Wassermolekülen in den Zellen beobachten. "Auf diese Weise können heute zum Beispiel Tumoren deutlich schneller und in einem früheren Stadium entdeckt und beurteilt werden, was die Genesungs- und Überlebenschancen von Krebspatienten drastisch erhöht", sagte Prof. Uder.

Zappelnder Patient? - Kein Problem!

Bei der medizinhistorischen Stippvisite führte Prof. Uder seine Zuhörer nach einer radiologischen Zeitreise im Hörsaal an den "Ort des Geschehens" und präsentierte eine Weltneuheit aus Franken - einen Röntgenroboter. Das Gerät, dessen Arme sich in fließenden, leise sirrenden Bewegungen vollautomatisch um den Patiententisch bewegen, erzeugte bei den Besuchern große Augen. Einige von ihnen fassten ihre Begeisterung in ein Wort: "Donnerwetter". Weiter ging die Führung zu einem imposanten Computertomografen. Um zu zeigen, wie moderne bildgebende Geräte sogar bei anhaltender Bewegung des Patienten gestochen scharfe Bilder liefern können, zauberte der Radiologe Dr. Matthias May einen Stoffschneemann hervor. Zur Freude der Zuschauer wurde dieser auf Knopfdruck lebendig und simulierte mit schnellem Hin- und Herschwanken ein sich bewegendes Untersuchungsobjekt. Die CT-Bilder des Schneemanns, das bewiesen Matthias May und Michael Uder dem verblüfften Publikum, waren trotz zappelndem "Patienten" einwandfrei und blitzschnell geschossen.

Radiologie heißt auch Blick in die Zukunft

Zum Abschluss erklärte Prof. Uder noch, warum die Arbeit des Radiologen so wichtig ist. "Ein Facharzt sucht auf dem CT-Bild nach dem, was er konkret finden will. Der Kardiologe kann dann zum Beispiel eine Gefäßverengung im Herzen ausmachen. Aber der Radiologe", sagte er verschmitzt, "guckt sich die restlichen 2.999 Bilder an und erkennt vielleicht noch etwas anderes, nach dem nicht primär gesucht wurde." So werden etwa Krebserkrankungen in vielen Fällen durch Zufall vom Radiologen entdeckt. "Die wichtigste Arbeit der Radiologie ist aber nicht nur zu erkennen, was jetzt schon ist, sondern zu prognostizieren, was sein wird", sagte Prof. Uder. "Wir Radiologen brauchen zumindest in der Medizin keine Kristallkugel, um in die Zukunft zu schauen." Denn auf den detaillierten Bildern des Körperinnern ließen sich auch solche gesundheitlichen Risiken ausmachen, die aktuell noch keine deutlichen Symptome zeigen. Für den Patienten könne das wachsame Auge des Radiologen auf diese Weise ein rettender Weckruf sein.

Stippvisite Radiologie

Stippvisite Radiologie

Ein Blick zurück: Angefangen bei den ersten Röntgengeräten führte Professor Michael Uder die Besucher der medizinhistorischen Stippvisite durch die Radiologie des Uni-Klinikums.

Stippvisite Radiologie

Stippvisite Radiologie

Zur ersten medizinhistorischen Stippvisite in der Radiologie erfreute sich Professor Michael Uder vieler interessierter Besucher.

Stippvisite Radiologie

Stippvisite Radiologie

Ein Blick zurück: Angefangen bei den ersten Röntgengeräten führte Professor Michael Uder die Besucher der medizinhistorischen Stippvisite durch die Radiologie des Uni-Klinikums.

Stippvisite Radiologie

Stippvisite Radiologie

Nicht wenige Besucher der medizinhistorischen Stippvisite von Professor Michael Uder in der Radiologie staunten über den hochmodernen Röntgenroboter.

Stippvisite Radiologie

Stippvisite Radiologie

Ein singender und tanzender Stoffschneemann demonstrierte, wie der moderne Computertomograf des Uni-Klinikums trotz Bewegung gestochen scharfe Bilder des Körperinnern liefern kann.