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Ludwig Demling (1921 – 1995)

Ludwig Demling, Bildquelle: Medizinische Klinik 1 - Gastroenterologie,
Pneumologie und Endokrinologie

Als "Hirn im Bauch" darf sich der Darm seit einigen Jahren über hohes Medieninteresse freuen. Seit 1999 werden Medienbeiträge, die wissenschaftlich korrekt und gleichzeitig anschaulich über gastroenterologische Erkrankungen berichten, mit dem Ludwig-Demling-Medienpreis geehrt. Der Namensgeber war Inhaber des Lehrstuhls für Innere Medizin und Direktor der Medizinischen Universitätsklinik mit Poliklinik.

Erlanger locus gastroenterologicus

Während seiner 20-jährigen Amtszeit zwischen 1966 und 1986 baute Ludwig Demling (1921 - 1995) die Erlanger Klinik systematisch zu einem locus gastroenterologicus, einem international anerkannten Kompetenzzentrum und Schwerpunkt gastroenterologischer Diagnostik, Behandlung und Forschung auf. Demling hatte in Würzburg, Berlin und Prag studiert und zunächst von 1954 bis 1961 als Oberarzt in Erlangen gearbeitet. Nach mehrjähriger Leitung der Medizinischen Klinik in Bad Cannstatt übernahm er 1966 in Erlangen den freigewordenen Direktorenposten der Medizinischen Klinik. Bereits ein Jahr nach Amtsübernahme gründete Demling von hier aus die Deutsche Gesellschaft für Endoskopie als führende Fachgesellschaft.

Viele der heute weltweit eingesetzten endoskopischen Techniken und Geräte gehen auf den als Pionier der Endoskopie geltenden Demling zurück. 1971 führte Demling, der stets intensiv mit Medizintechnikern zusammenarbeitete, mithilfe einer nach seinen Vorgaben konstruierten elastischen Schlinge die erste endoskopische Polypektomie durch (Abtragung eines Polypen aus dem Magen und oberen Dickdarm). Ein Jahr später gelangen ihm mit Kollegen die erste totale Ösophago-Entero-Koloskopie (Ausspiegelung des gesamten Magen-Darm-Traktes) sowie die endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP), eine endoskopische Methode, mit der sowohl diagnostische als auch therapeutische Eingriffe durchgeführt werden können. Gemeinsam mit einem Kollegen nutzte Demling 1986 erstmalig eine spezielle Lasertechnik zur Zerstörung von Gallengangsteinen.

Ludwig Demling und Harald zur Hausen - ein unerfreuliches Kapitel

Zu den national und international anerkannten Forschern, mit denen Demling in Erlangen zusammenarbeitete, gehörte auch der Virologe und spätere Nobelpreisträger Harald zur Hausen (*1936). Zur Hausen war von 1972 bis 1977 Leiter des Erlanger Instituts für Klinische Virologie und ab 1975 Sprecher des zuvor von Demling angeregten Sonderforschungsbereiches 31 "Methodenforschung zur Früherkennung des Krebses". In seinem 2010 erschienenen Buch „Gegen Krebs“ schilderte der Autor zur Hausen seine Sicht auf die für ihn unerfreuliche Zusammenarbeit mit Demling. Als ein von Demling im Rahmen des Sonderforschungsbereiches eingebrachter Antrag zur endoskopischen Untersuchung in der zweiten Begutachtungsrunde abgelehnt wurde, beklagte Demling in einem Artikel in der Medizinzeitung "Medical Tribune" öffentlich die Erlanger Entwicklung und erwähnte in diesem Zusammenhang einen "ehrgeizigen jungen Virologen", der den Sonderforschungsbereich zu seinem Instrument machen wolle. Gravierende Unstimmigkeiten in Berufungsverhandlungen hinsichtlich der geeigneten Kandidaten für Lehrstuhlneubesetzungen verschärften die auch in Fakultätssitzungen deutlich zutage tretenden Spannungen. In einem an Demling gerichteten Schreiben wünschte zur Hausen schließlich, dass die Fakultät die Entwicklung nicht ausschließlich durch das Endoskop sehen möge. Ein viel späteres Treffen der beiden Wissenschaftler verlief dann allerdings freundlich. Damit war für zur Hausen, der Erlangen 1977 verlassen hatte, "unter dieses unerfreuliche Kapitel ein Schlußstrich gezogen" und die Erlanger Vergangenheit bewältigt.[1]  Von 1998 bis 2002 war zur Hausen Mitglied des Hochschulrats der Universität Erlangen-Nürnberg, 2008 erhielt er für seine Papillomvirus-Forschung hälftig den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.

Blick über den Tellerrand des Faches

Nach seiner Emeritierung widmete sich Demling zunehmend auch psychosomatischen, philosophischen und religiösen Fragenstellungen. Dabei äußerste sich der Exponent der Hightech-Medizin zuweilen skeptisch gegenüber dem Siegeszug der modernen Medizin: Ob aufs Ganze gesehen, Vertrauen und Kamillentee so sehr viel schlechter sind als Antibiotika und seelenloser Massenbetrieb, lautete seine provokante Frage an seine gastroenterologischen Kollegen.[2]  Durchaus kritisch äußerte sich Demling – obwohl selbst Autor von mehreren Hundert Publikationen und Fachartikeln – zu der gängigen angloamerikanischen Publikationspraxis mit ihren Zitierkartellen: "Es soll auch ganze Gruppen von Forschern geben, die sich stets gegenseitig zitieren."[3]
Wenn auch keine Autobiografie, aber doch sehr viele persönliche Erinnerungen und Bekenntnisse enthaltend, zeichnet Demlings letztes, posthum erschienenes Werk „Leben schon, aber wie?“ ein interessantes Porträt des Wissenschaftlers und Arztes Demling. Laut testamentarischer Verfügung hat der Anhänger des klassischen Altertums seine Einäscherung sowie das Verstreuen seiner Asche über dem Mittelmeer zwischen Kreta und Sizilien verfügt.[4]

Von 1973 bis 1974 war Demling Dekan der Medizinischen Fakultät. Neben der überaus regen Publikationstätigkeit belegen zahlreiche Auszeichnungen und Mitgliedschaften die über seine Emeritierung hinausreichende Bedeutung des anerkannten Forschers und seine erfolgreichen Reisen in das Innere.

[1] Harald zur Hausen/Katja Reuter: Gegen Krebs. Die Geschichte einer provokativen Idee. Reinbek bei Hamburg 2010, S. 159 - 163.

[2] 200 Jahre Universitätsklinikum Erlangen 1815–2015. Hg. Karl-Heinz Leven/Andreas Plöger. Böhlau: Köln/Weimar/Wien 2016, S. 380-381.

[3] Demling, Ludwig: Leben schon, aber wie? Stuttgart/Jena 1996; S. 37.

[4] Wilkes, Johannes: Vom Forschen und Heilen. Erlanger Medizingeschichte. Erlangen 2006, S. 190-196.

Literatur: 200 Jahre Universitätsklinikum Erlangen 1815 - 2015. Hg. Karl-Heinz Leven/Andreas Plöger. Böhlau: Köln/Weimar/Wien 2016, S. 380-381.