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Organisationsgenie und Begründer der gerichtlichen Medizin - Adolph Christian Heinrich Henke (1755 - 1843)

Adolph Christian Heinrich Henke, Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Porträtsammlung
Adolph Christian Heinrich Henke,
Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Porträtsammlung

Als Adolph Henke in Erlangen 1805 zum außerordentlichen Professor der Arzneikunde ernannt wurde, war die Universität zahlungsunfähig. Seinen Lebensunterhalt musste sich der frühere Landphysikus Henke deshalb zunächst mit dem Schreiben verdienen. Seine Bücher über Kindererziehung erwiesen sich als Bestseller und legten den Grundstein für die spätere Entwicklung der Pädiatrie in Erlangen. Aber auch auf dem Gebiet der Rechtsmedizin galt Henke als Wegbereiter.

Professor ohne Dienstbezug

Zum Zeitpunkt seiner Berufung konnte die Universität Henke lediglich ideell entlohnen, indem sie ihm das nächste frei werdende Ordinariat zusicherte. Bis dahin verlegte sich Henke erfolgreich auf das Verfassen von ärztlichen Ratgebern für Mütter. Seine in dieser Zeit entstandenen Werke, vor allem das zweibändige "Handbuch zur Erkennung und Heilung der Kinderkrankheiten" (Frankfurt 1809) und sein "Taschenbuch für Mütter über die physische Erziehung der Kinder [...] (1810), wurden mehrfach aufgelegt und fanden weite Verbreitung.

Fachlich fundiert und vorausschauend umriss Henke die Kinderheilkunde in seinen Büchern wie auch in seinen pädiatrischen Vorlesungen und definierte damit ein Spezialgebiet der Medizin, das sich in Erlangen erst mehr als ein Jahrhundert später etablieren sollte. Die Universität brauchte über zehn Jahre, um ihr Versprechen einzulösen: 1816 wurde Henke endlich zum ordentlichen Professor für Physiologie, Pathologie und Staatsarzneikunde ernannt.

Erfolgreiche Patientenakquise

1824 wurde Henke erster Direktor des nach langer Planungs- und Bauphase 1823 fertiggestellten Krankenhauses. Zugleich fungierte er als Vorstand der Medizinischen Abteilung. Angesichts der schlechten Finanzausstattung entwickelte der neue Krankenhausdirektor, der nach dem Tod von Friedrich Wendt im Jahr 1818 schon die Leitung des Institutum Clinicum übernommen hatte, beachtliches "kaufmännisches" Geschick. Durch sparsame Haushaltsführung und zusätzliche Mitteleinwerbung konnte er die Zahl der ursprünglich 25 Betten auf 48 erhöhen. Zur besseren Auslastung der Bettenkapazitäten nahm Henke - ähnlich wie sein chirurgischer Kollege Bernhard Schreger - erkrankte Dienstboten gegen ein geringes Entgelt auf und schloss mit den Geselleninstituten und Nachbargemeinden kostengünstige Verpflegungsverträge.

München - die leidige Konkurrenz

Mehrfach zum Prorektor und Vertreter der Universität in der Zweiten Kammer des Bayerischen Landtages gewählt und seit 1825 Ehrendoktor der Juristischen Fakultät, wurde Henke auch zu einem der wichtigsten Repräsentanten in der Hochschulpolitik. Als die Nachfolge des 1825 verstorbenen Schregers gegen den ausdrücklichen Wunsch der Erlanger Universität der Würzburger Privatdozent Michael Jäger (1795 - 1838) antreten sollte, protestierte die Universitätsleitung gegen diese Fehlentscheidung des Ministeriums. Henke selbst, zu dieser Zeit Prorektor, intervenierte beim bayerischen König mit bemerkenswerter Deutlichkeit gegen den Willkürakt. Dabei brachte er ein Argument vor, das in der Geschichte der Erlanger Universitätsgeschichte immer wieder auftaucht: die Konkurrenzsituation der drei bayerischen Universitäten Erlangen, Würzburg und München.
"Es kann nicht in der Absicht eines königlichen Staatsministeriums des Innern liegen, es kann noch weniger der Wille unseres allergnädigsten Königs, des Beschützers der Wissenschaft und Kunst sein, zu einer Zeit, wo die nach München verlegte Schwesteruniversität die Anstellung ausgezeichneter Männer des In- und Auslandes verdankt, unserer hohen Schule die Ernennung tüchtiger Lehrer für die erledigten Lehrämter zu versagen, ohne welche dieselbe die ihr gestellte Aufgabe nicht zu lösen vermöchte und ohne ihre Verschuldung gegen die beiden übrigen Landesuniversitäten in Schatten gestellt und zurückgesetzt werden würde." [1]

"Zur Aufklaerung und Entscheidung zweifelhafter Rechtsfragen"[2]

Henke galt zu Lebzeiten als wichtige Autorität auf dem Gebiet der gerichtlichen Medizin. Mit seiner in Erlangen erschienenen Grundlagenliteratur zur Gerichtsmedizin wurde er zum Begründer dieses Faches in Deutschland. In seiner Einleitung zur Erstauflage seines "Lehrbuch[s] der gerichtlichen Medicin" (1819) machte Henke die praxisbezogene Intention seiner Veröffentlichungen deutlich, er beabsichtigte, "dem gerichtlichen Arzte und Criminalisten [ein] nützliches Werk zu liefern".[3] Mit dieser über rein akademische Zwecke hinausgehenden Ausrichtung an den konkreten Bedürfnissen von Gerichtsärzten und Kriminalämtern war Henke überaus erfolgreich, das Buch wurde zwischen 1819 und 1832 insgesamt siebenmal aufgelegt.

Henke betätigte sich darüber hinaus als politischer Schriftsteller mit militärhistorischen Ambitionen. In seinen mehrbändigen Feldzugbeschreibungen schilderte er u. a. die Völkerschlacht bei Leipzig als "eine jener großen Begebenheiten, die Epoche in der Weltgeschichte machen. Durch sie wurde die Übermacht Frankreichs vernichtet, die Wiedergeburt Deutschlands , die Rückkehr eines sicheren Staatensystems in Europa begründet, und der Sturz des ehrgeizigsten und gefährlichsten Mannes, der je auf dem Thron gesessen, eingeleitet.[4]

Henke starb am 8. August 1843. Er ist Namensgeber der Henkestraße, in der heute u. a. das Innovationszentrum Medizintechnik und Pharma (IZMP) angesiedelt ist.

[1] Zitiert nach Wittern-Sterzel, Renate: Die Eröffnung des Universitätskrankenhaueses und die ersten Jahre des Bestehens. In: 200 Jahre Universitätsklinikum Erlangen 1815 - 2015. Hg. Karl-Heinz Leven/Andreas Plöger. Böhlau: Köln/Weimar/Wien 2016, S. 58.

[2] Lehrbuch der gerichtlichen Medicin zum Behuf akademischer Vorlesungen und zum Gebrauch für gerichtliche Aerzte und Rechtsgelehrte. Berlin 1819, S. 1.

[3] Ebenda.

[4] Henke, Adolph: Darstellung des Feldzuges der Verbündeten gegen Napoleon im Jahr 1814,1. S. 1.

Quelle: Wittern-Sterzel, Renate: Die Eröffnung des Universitätskrankenhaueses und die ersten Jahre des Bestehens. In: 200 Jahre Universitätsklinikum Erlangen 1815 - 2015. Hg. Karl-Heinz Leven/Andreas Plöger. Böhlau: Köln/Weimar/Wien 2016, S. 48ff.