Zum Inhalt springen

Modernisierung der Pädiatrie - Adolf Windorfer

Adolf Windorfer, Bildquelle: Kinder- und Jugendklinik
Adolf Windorfer, Bildquelle: Kinder- und Jugendklinik

Jeden Fußbreit Boden erkämpfen

Nach seinem Medizinstudium in München und Zürich und seiner Promotion im Jahr 1934 absolvierte Adolf Windorfer (1909 - 1996) seine Facharztausbildung an der Universitätskinderklinik Frankfurt. Bei seiner Berufung 1957 auf den Erlanger Lehrstuhl für Kinderheilkunde verfügte Windorfer aufgrund seiner Tätigkeit an der Frankfurter Klinik und als niedergelassener Facharzt in der Oberpfalz über langjährige praktische Erfahrung. Als früherer Direktor der Städtischen Kinderklinik Stuttgart auch in der Klinikleitung versiert, passte Windorfer die Erlanger Universitätskinderklinik sukzessive baulich, fachlich und strukturell den Erfordernissen einer modernen Pädiatrie an. Dabei standen ihm anfangs für die stationäre und die ambulante Versorgung neben drei Oberärzten lediglich sieben Assistenten zur Verfügung.

Die Klinik an der Loschgestraße war nach den Richtlinien seines Vorgängers Alfred Adam (1888 - 1956) modernisiert worden.[1] Das neue Bettenhaus auf dem Terrain der Kinderklinik war Pfingsten 1954 in Betrieb genommen worden. Der neue amphitheatralisch angeordnete Hörsaal, der eine "ausgesprochen repräsentative Note" besessen haben soll, brachte eine deutliche Verbesserung für die Lehre. Im Vergleich dazu waren die vielen Altbauten der Kinderklinik in überaus schlechtem Zustand. Obwohl die Einzelgebäude zahllose räumliche und hygienische Mängel aufwiesen, blieben sie für den laufenden Betrieb der stets überbelegten Kinderklinik unverzichtbar. Hier waren mit den Laboratorien, der Frühgeborenstation sowie der Poliklinik wichtige Funktionsbereiche untergebracht. Trotz der räumlich und personell bedingten enormen Arbeitsbelastung in der Klinik setzte sich Windorfer hartnäckig für die dringend notwendigen Baumaßnahmen ein. So entstanden 1966 ein neuer Behandlungsraum und 1971 ein neues Infektionsgebäude. Windorfer erinnerte sich noch 1985, knapp zehn Jahre nach seiner Emeritierung, daran, dass sich die Kliniker in jenen Jahren jeden "Fußbreit Boden und jede kleine Verbesserung" hart erkämpfen mussten.[2]

Eiserne Lunge für Kinder

Windorfer hatte sich 1942 in Frankfurt mit einer Arbeit zur Epidemiologie der Poliomyelitis ("Kinderlähmung") habilitiert. Die Versorgung von Kindern, die an der mit Lähmungserscheinungen einhergehenden Viruserkrankung litten, gehörte in Erlangen neben der Behandlung von Tuberkulosepatienten zu seinen wichtigsten klinischen Aufgaben. Da unter seinem Vorgänger Adam im April 1952 an der Kinderklinik eine der ersten "Eisernen Lungen" in der Bundesrepublik in Betrieb genommen worden war, hatte die Erlanger Poliomyelitis-Station einen überregionalen Ruf als Behandlungszentrum. Viele der an der Virusinfektion erkrankten Kinder konnten aufgrund der Lähmung der Atemmuskulatur nicht mehr selbstständig atmen und lagen oft monate-, zum Teil jahrelang in dem Beatmungsgerät. Die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zur Umwelt war für sie dadurch radikal eingeschränkt. Nur durch minimale Bewegungen des Kopfes und über einen extra angebrachten Spiegel konnten sie Blickkontakt zur Umwelt aufnehmen.

Die Eiserne Lunge wurde 1929 von dem amerikanischen Ingenieur Philip Drinker zur Langzeitbeatmung von Patienten zum Patent angemeldet. Das Gerät, das den außen liegenden Kopf durch eine Halsmanschette luftdicht vom vollständig in dem Hohlzylinder liegenden Körper abschließt, imitiert durch den rhythmischen Aufbau eines Über- sowie eines Unterdruckes im Inneren der engen Stahlröhre die Atemtätigkeit.

Schwerpunkt Mukoviszidose

In Windorfers über 20-jährige Amtszeit fiel aber vor allem auch die Schärfung des Forschungsprofils der Kinderklinik durch die Förderung der klinikbezogenen Forschung. So beschäftigte sich die Klinik unter der Leitung von Windorfer bundesweit führend mit dem Problem der Rötelnerkrankungen. Windorfer selbst befasste sich in seinen Arbeiten vor allem mit der Mukoviszidose, einer der häufigsten angeborenen Stoffwechselkrankheiten. Dabei wird aufgrund einer Störung im Salz-Wasser-Haushalt verstärkt zäher Schleim gebildet, der die lebenswichtigen Organe verstopft. Die Verbesserung der Lebensqualität betroffener Patienten war Windorfer ein zentrales Anliegen. Er war 1966 Mitbegründer und Erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Mukoviszidose e. V., aus der der jetzige Mukoviszidose e. V. hervorging. 1972 wurde Windorfer mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt, ein Jahr später wurde er Präsident der 1883 gegründeten Gesellschaft für Kinderheilkunde, der späteren Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. Gemeinsam mit Rudolf Schlenk publizierte Windorfer 1978 zur Entstehung und Entwicklung der Fachgesellschaft.[3]


[1] Vgl. Rexroth, Christian A.: Wachsam und wägend, mutig und hart.1 Prof. Dr. med. Alfred Adam (1888-1956). In: Rascher, W.-/Wittern-Sterzel, R. (Hg.:) Geschichte der Universitäts-Kinderklinik Erlangen. Göttingen 2006, S. 213-298, hier 260.

[2] Vgl. Sitzmann, Friedrich Carl: Adolf Carl Sitzmann: Adolf Windorfer (1909–1996). Sein Wirken, seine Persönlichkeit. In: Rascher, W./Wittern-Sterzel, R. (Hg.:) Geschichte der Universitäts-Kinderklinik Erlangen. Göttingen 2006, S. 299–319.

[3] Windorfer, A/ Schlenk, R. (Hg.): Die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde. Ihre Entstehung und historische Entwicklung. Springer, Berlin u.a. 1978.