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Mit Antipyrin wurde in Erlangen das synthetische Schmerz- und Fiebermittel entwickelt

Chemische Formel Antipyrin

In Erlangen gelangen 1884 die Synthese und die klinische Erprobung von Phenazon, dem ersten synthetischen Schmerz- und Fiebermittel. Unter dem Namen Antipyrin machte das von der späteren Hoechst AG vermarktete Medikament Weltkarriere. Seine Entdecker, der Professor für Arzneimittellehre Wilhelm Filehne, der Professor für Chemie und spätere Nobelpreisträger Emil Fischer sowie sein Doktorand Ludwig Knorr, hatten damit erstmalig die ertragreiche Zusammenarbeit ihrer Fächer bewiesen. Trotz des bahnbrechenden Erfolges ihrer Entdeckung verließ Filehne - wie auch Fischer und Knorr - Erlangen nur wenige Jahre später.

Praktizierte Interdiziplinarität

Wilhelm Filehne (1844 - 1927) hatte in Berlin und Heidelberg Medizin studiert. Nach seiner Promotion 1866 war er zwei Jahre lang Assistent bei Rudolf Virchow (1821 - 1902) am Pathologisch-Anatomischen Institut in Berlin. 1874 wechselte er als wissenschaftlicher Assistent an die Medizinische Klinik in Erlangen. Als Privatdozent erhielt er einen Lehrauftrag für Arzneimittellehre und Arzneiverordnungslehre und widmete sich mit Zustimmung der Medizinischen Fakultät in seinen Vorlesungen schwerpunktmäßig der Pharmakologie. Zwei Jahre später berief ihn die Universität zum 1. Juli 1876 zum außerordentlichen Professor für das Fach Pharmakologie. Anders als an den meisten Universitäten hatte man in Erlangen für das aufstrebende Fach der Pharmakologie keine eigene Professur mit einem dazugehörigen Forschungsinstitut gegründet, sondern nur einen jungen Privatdozenten ohne Ausstattung mit der Vertretung des Faches betraut. Für seine Forschungsarbeiten war der erste Pharmakologe Erlangens somit auf die Gastfreundschaft benachbarter Institute, z. B. das erst vor Kurzem gegründete Physiologische Institut und die Institute für Pharmazie und Chemie, angewiesen.[1] In Isidor Rosenthal (1836 - 1915), dem Begründer des Physiologischen Instituts, und Emil Fischer (1852 - 1919), Professor für Chemie, fand der experimentierfreudige Filehne wichtige Förderer. Über den Kontakt zu Fischer lernte er schließlich dessen Doktoranden Ludwig Knorr (1859 - 1921)[2] kennen. Im regen kollegialen Austausch in der Privatwohnung Fischers oder im Café Mengin besprachen die drei Wissenschaftler gemeinsame Forschungsprojekte und legten damit die Basis für die kommerziell wichtigste Entdeckung in Erlangen: die 1883 erstmalig erfolgte Synthetisierung des Phenazon.

Erfolgreiche Patentanmeldung

Zur klinischen Erprobung des neuen Wirkstoffs ließ sich Filehne im Sommersemerster 1883 beurlauben, um das Mittel in italienischen Kliniken an Malariakranken testen zu lassen.[3] Das aufgrund seiner stark fiebersenkenden Eigenschaft Antipyrin genannte Mittel (griech. anti - gegen und pyr - Feuer) galt als vergleichsweise nebenwirkungsarm und avancierte als Ersatz für das immer knapper werdende Chinin rasch zu einem der beliebtesten und am häufigsten eingesetzten Mittel. Emil Fischer war im Sinne einer freien Forschung zunächst gegen die Patentnahme, erlaubte seinem Assistenten Knorr die Patentierung dann aber als "Nebeneinnahme". Das Patent für den ersten voll synthetischen Arzneistoff der Welt wurde an die AG "Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning" in Frankfurt-Hoechst verkauft.[4] Der Leiter des wissenschaftlichen Laboratoriums der Firma, der Alkaloidforscher Eduard von Gerichten (1852 - 1930), war ehemaliger Dozent der Erlanger Universität und ein Freund von Knorr. Die Vermarktung des Antipyrins legte die Grundlage des Firmenaufstieges zur späteren Weltfirma Hoechst und für den späteren Reichtum des Chemikers Knorr. Obwohl seine langjährige Erfahrung in der praktischen Medizin, insbesondere seine klinische Erprobung von neuen Medikamenten an Patienten, die Entwicklung des Antipyrins maßgeblich beeinflusst hatte, war Filehne an dem finaziellen Erfolg der Patentierung nicht beteiligt.

In Erlangen hielt es keinen

1886 nahm Filehne einen Ruf als ordentlicher Professor an die Universität Breslau an und gründete das dortige Pharmakologische Institut. Trotz seiner wissenschaftlichen Erfolge in der experimentellen Pharmakologie hatten die Erlanger Medizinische Fakultät und der Senat der Universität seinen Vorschlag zur Gründung eines Pharmakologischen Instituts zuvor abgelehnt. Auch die Chemiker Emil Fischer und Ludwig Knorr verließen Erlangen. 1885 wechselten beide zunächst gemeinsam nach Würzburg. Ludwig Knorr, 1889 zum ordentlichen Professor für Chemie ernannt, wurde noch im selben Jahr Ordinarius für Chemie und Direktor des Chemischen Universitätslaboratoriums an der Universität Jena. Emil Fischer ging 1892 von Würzburg nach Berlin. 1902 erhielt er für seine Synthese des Traubenzuckers und für seine Arbeit über die Purinkörper den Nobelpreis für Chemie. Fischer, der - wahrscheinlich infolge seiner Arbeit mit dem giftigen Phenylhydrazin - an Krebs erkrankt war, wählte 1919 den Freitod.[5]


[1] Gensthaler, B. M: Drei Institute kooperieren im Erlanger Emil-Fischer-Zentrum. http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=20867, Zur Geschichte des Pharmakologischen Institutes vgl. auch https://idw-online.de/de/news?print=1&id=14474 und http://www.pharmakologie.uni-erlangen.de/efz/feier-www/Anspracheklein.htm, aufgerufen am 14.03.2016.

[2] Hennig, B.: Ludwig Knorr (1859 – 1921) – Leben und Werk des Jenaer Chemikers […]. Diss. rer. nat. Jena 1993; Brune, K.: Knorr und Filehne in Erlangen. Die Erfindung des Antipyrin legt den Grundstein für eine Weltfirma. In: Das neue Erlangen 67 (1985) S. 16 – 21.

[3] Knevelkamp, W.: Die Entwicklung der Pharmakologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen.Diss. med. Erlangen 1990; S. 78 – 96.

[4] http://www.sanofi.de/l/de/de/layout.jsp?scat=BD51F016-E346-4BC4-A796-13229FA1BA59, aufgerufen am 22.03.2016.

[5] http://www.efc.uni-erlangen.de/pers.shtml; http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/1902/fischer-bio.html, aufgerufen am 22.03.2016.