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„die Wirksamkeit des Aethers in hiesiger Klinik […] zu erproben - die Einführung der Äthernarkose 1847

Skizze des Ätherapparates von Johann Ferdinand Heyfelder, 1847, Universitätsbibliothek Erlangen, Signatur N.Med. VI, 45
Skizze des Ätherapparates von Johann Ferdinand Heyfelder, 1847,
Universitätsbibliothek Erlangen, Signatur N.Med. VI, 45

Die Äthernarkose war ein Exportschlager aus Amerika. In Deutschland wurde sie erstmalig vom Erlanger Ordinarius für Chirurgie und Augenheilkunde, Johann Ferdinand Heyfelder, am 24. Januar 1847 angewendet. Heyfelder führte nicht nur eine umfangreiche Testreihe an Patienten durch, sondern erprobte die Wirksamkeit der neuen Methode auch an sich selbst.

"Fruchtbringend für die Kranken, fruchtbar für die Kunst und Wissenschaft"

Als der Bostoner Chirurg John Collins Warren am 16. Oktober 1846 mithilfe von Schwefeläther schmerzfrei operierte, verbreitete sich diese Nachricht rasch in ganz Europa. In London wagte am 21. Dezember 1846 der britische Chirurg Robert Liston eine Amputation des Unterschenkels an einem ätherisierten Patienten. In Frankreich fand am 12. Januar 1847 eine öffentliche Demonstration einer Äthernarkose statt. Heyfelder, durch die entsprechende Berichterstattung in der französischen Fachwelt auf die medizinische Sensation aufmerksam geworden, kündigte an, die Wirksamkeit des Äthers auch in der Erlanger chirurgischen Klinik durch eine Reihe von Experimenten prüfen zu wollen. Die Regierung von Mittelfranken zeigte großes Interesse an Heyfelders Absichten. Sie forderte die zuständigen Stellen in den nächsten Monaten mehrfach auf, "geeignete operative Fälle der chirurgischen Klinik zu Erlangen zur Fortsetzung ihrer Versuche zuzuweisen". Zwischen dem 24. Januar und de, 8. März 1847 führte Heyfelder an insgesamt 100 Personen Äthernarkosen durch. Zahnextraktionen sowie Amputationen und Abszesseröffnungen gehörten zu den häufigsten Eingriffen.

Der erste Proband: Michael Gegner

Nachdem Heyfelder zur möglichst kontrollierten Ätherinhalation aus einer Schweinsblase und einer Glasröhre einen "Ätherapparat" konstruierte hatte, wagte er am Sonntag, 24. Januar 1847, den ersten Versuch. Sein Patient, Michael Gegner, ein 26-jähriger, abgemagerter Schuhmachergeselle, litt an einem ausgedehnten Abszess. Aufgrund immer wieder auftretender Hustenanfälle bei der Zuführung des Äthers mussten die Bemühungen allerdings abgebrochen werden. Der zweite Versuch am folgenden Tag gelang: Michael Gegner war wie gewünscht unter der Einwirkung des Äthers "vollkommen empfindungslos" geworden. An die Operation konnte er sich nicht erinnern, stattdessen berichtete er von einem Traum, "den er aber nicht näher angeben konnte". Während eines dritten, insgesamt 40 Minuten dauernden Versuches, wurde die Inhalation auf Wunsch des Patienten fortgesetzt, "um einen andern cariösen Zahn entfernen zu lassen"[1].

Heyfelders Selbstversuch

Zunächst berichtete Jakob Herz (1816 - 1871), Assistent in der chirurgischen Klinik, in der Beilage der Augsburger Allgemeinen Zeitung über die ersten 24 Versuche.[2] Wenige Monate später publizierte Heyfelder die vollständige Versuchsreihe unter dem Titel: "Die Versuche mit dem Schwefeläther und die daraus gewonnenen Resultate in der chirurgischen Klinik zu Erlangen". Im Vorwort hatte Heyfelder seine ärztlichen Kollegen dazu ermuntert, die Wirkung des Äthers "durch Selbsterfahrung kennen zu lernen" [3]. Sein Selbstversuch vom 2. Februar 1848 war der 20. in der Erlanger Versuchsreihe und wurde wie alle anderen genau protokolliert. Dokumentiert wurden ein "Gefühl von behaglicher Wärme im ganzen Körper", das Gefühl, dass "eine grosse Veränderung vorgehen wolle" und schließlich "völlige Empfindungs- und Bewusstlosigkeit". Nach dem Erwachen verspürte Heyfelder Abgeschlagenheit, Gangunsicherheit und eine "Umneblung des Geistes"[4]. Zur Nachkontrolle ließ Heyfelder bei mehreren Patienten auch Blut und Urin durch den Chemiker Eugen Franz Freiherr von Gorup-Besánez (1817 - 1878) untersuchen.

Die Einführung der Narkose war eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung der modernen Chirurgie. In Erlangen wurde anlässlich des 150. Jahrestages der ersten klinischen Äthernarkose in der Anästhesiologischen Klinik eine dreimonatige Ausstellung gezeigt[5], die Heyfelders Verdienste um die Theorie der Wirkung der Narkose, aber auch ihre klinische Anwendung zum Thema hatte. Der dazugehörige Ausstellungskatalog bietet einen fundierten Einblick in die spannende Geschichte der Anästhesie.

[1] Heyfelder, Johann Ferdinand: Die Versuche mit dem Schwefeläther und die daraus gewonnenen Resultate in der chirurgischen Klinik zu Erlangen. Erlangen 1847, S. 11 - 13.

[2] Aus: Anonymus: Schwefeläther. Versuche in der chirurgischen Klinik zu Erlangen. In: Allgemeine Zeitung, Augsburg, 1847. Beilage zu Nr. 37, S. 290 f. ["von einem Arzte" = Jakob Herz].

[3] Heyfelder (wie Anmerkung 1). S. 10.

[4] Ebenda. S. 19

[5] Klinik für Anästhesiologie, Erlangen (Hg.): "Der schöne Traum, daß der Schmerz von uns genommen, ist zur Wirklichkeit geworden". 1847 - erste Äthernarkose in Erlangen. Erlangen 1997.

Quelle: 200 Jahre Universitätsklinikum Erlangen, 1815 - 2015. Hg. Karl-Heinz Leven/Andreas Plöger. Böhlau: Köln/Weimar/Wien 2016, S. 83 ff.; Heyfelder, Johann Ferdinand: Die Versuche mit dem Schwefeläther und die daraus gewonnenen Resultate in der chirurgischen Klinik zu Erlangen. Erlangen 1847, Klinik für Anästhesiologie, Erlangen (Hg.): "Der schöne Traum, daß der Schmerz von uns genommen, ist zur Wirklichkeit geworden". 1847 - erste Äthernarkose in Erlangen. Erlangen 1997.