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Johann Ferdinand Heyfelder - "ein rechthaberischer Charakter von seltener Unverträglichkeit"

Johann Ferdinand Heyfelder (1798 - 1869), Quelle: Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg
Johann Ferdinand Heyfelder (1798 - 1869),
Quelle: Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg

Johann Ferdinand Heyfelder (1798 - 1869), 1841 nach Erlangen berufen und Vorstand des Universitätskrankenhauses, gelang 1847 die deutschlandweit erste Äthernarkose. Warum entließ die Universität dann 1854 den wissenschaftlich und klinisch erfolgreichen Chirurgen?

Zunächst kein Wunschkandidat - Heyfelders holpriger Start in Erlangen

Heyfelder, Professor für Chirurgie und Augenheilkunde, übernahm 1841 das Amt des nach München versetzten Chirurgen Louis Stromeyer (1804 - 1876). Willkommen war Heyfelder in Erlangen nicht: Die Fakultät hatte als Nachfolger eigentlich den jungen und vielversprechenden Chirurgen Berhard Langenbeck empfohlen. Der Vorschlag wurde allerdings abgelehnt und stattdessen Heyfelder berufen. Indirekter Nutznießer dieser Entscheidung war später die Berliner Charité, die vom großen Können Langenbecks profitierte. Heyfelder hatte sich kurz zuvor mit seinem früheren Dienstherrn, dem Fürsten Karl von Hohenzollern-Sigmaringen, überworfen. Da seitens des in Ungnade gefallenen, fürstlichen Leibarztes Versorgungsansprüche bestanden, lancierte Karl von Hohenzollern-Sigmaringen die Berufung nach Erlangen.

Schmerzfreiheit durch Narkose

Nach dem Tod des Internisten Carl Canstatt (1807 - 1850)übernahm Heyfelder 1850 die Direktion des Universitätskrankenhauses, das er kommissarisch bereits seit 1843 leitete. Zu dieser Zeit hatte sich der Chirurg vor allem durch die Einführung der Äther- und der Chloroformnarkose einen Namen in der Fachwelt gemacht. Wie auch schon bei der Äthernarkose war er bei der Einführung des Chloroforms einer der Ersten, die das Mittel im Rahmen einer mehrmonatigen Versuchsreihe bei 48 Operationen erfolgreich testete. Mit den neuen Möglichkeiten der Schmerzfreiheit durch Narkose war eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung der modernen Chirurgie geschaffen, die den wissenschaftlichen Ruf der Erlanger Klinik und der Fakultät nachhaltig förderte.

Öffentliche Kollegenschelte

Trotz der unstrittigen Erfolge schien Heyfelder nicht gewillt, das berufliche Vorwärtskommen anderer anzuerkennen. Wohlwollende Biografen schildern seinen Charakter als "mehr interessant als angenehm, mehr bedeutend als wohltuend", er sei "der frömmelnden Beschränktheit Feind und daher ein Stein des Anstoßes"[1] . Kritischere Stimmen warfen ihm Rechthaberei und Unverträglichkeit vor, Heyfelder sei jemand gewesen, der als "ewig unzufriedenes und nörgelndes Element in der Fakultät wirkte"[2]. Tatsächlich intrigierte Heyfelder gegen viele seiner Erlanger Kollegen, vor allem gegen den bei Ärzten, Patienten und Studenten beliebten und fachlich anerkannten Pathologen Franz von Dittrich (1815 - 1859).

Machtkampf wird zur Zerreißprobe

Am 10. Juni 1854 machte die Medizinische Fakultät auf dem Dienstweg eine Eingabe an den König. Die Unterzeichner, immerhin sieben von acht Mitgliedern der Medizinischen Fakultät, warfen Dittrich vor, durch sein völlig unakzeptables Lehrverfahren, die Universität zu einer "Abrichtungsschule" zu erniedrigen, die nicht länger wissenschaftliche Ärzte hervorbringe, sondern nur "einseitige Routiniers", für die die pathologische Anatomie alles, die "Heilung der Kranken aber Nebensache" sei. Der Text, der höchstwahrscheinlich von Heyfelder stammte, hatte zwei Adressaten: die Pathologie als eines der wichtigsten neuen Fächer der Medizin und ihren Erlanger Repräsentanten, den versierten und aufgrund seines modernen Unterrichtes geachteten Hochschullehrer Dittrich. Der tief gekränkte Dittrich verlangte vom König höchstpersönlich, seine verletzte Ehre wiederherzustellen und drohte damit, nicht nur den Fakultätssitzungen, sondern der Erlanger Universität an sich den Rücken zu kehren und einen auswärtigen Ruf anzunehmen.

Schadensbegrenzung

Als den Mitunterzeichnern die Tragweite ihrer Amtsschelte klar wurde, bemühten sie sich intensiv um Schadensbegrenzung und zogen ihre Vorwürfe zumindest partiell zurück. Unterstützung kam auch von den Medizinstudenten, die nachdrücklich den Verbleib ihres geschätzten Lehrers an der Universität forderten. Wenn Heyfelder bliebe und Dittrich ginge, so auch die begründete Sorge der Universität, wer wäre dann bereit, unter diesen Umständen nach Erlangen zu kommen und sich der "allwärts bekannten Gemütsart" Heyfelders auszusetzen? Das an den König übermittelte Worst-Case-Szenario überzeugte: Mit Wirkung vom 27. Januar 1854 versetzte der Landesherr Heyfelder fristlos in den Ruhestand.

Von Erlangen nach Sankt Petersburg

Ein Jahr nach seiner Zwangspensionierung trat Heyfelder als Generalstabsarzt der russischen Truppen in Finnland in russische Dienste. Von 1856 bis 1869 war er Professor für Chirurgie und Hospitalarzt in Sankt Petersburg und wurde1856 zum Kaiserlichen Russischen Wirklichen Staatsrat ernannt. Heyfelder starb am 21. Juni 1869 in Deutschland, die letzten Monate seines Lebens hatte er in Stuttgart verbracht.

[1] Gurtl, Ernst: Heyfelder, Johann Ferdinand. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Online-Fassung: http://www.deutsche-biographie.de/pnd11679142X.html?anchor=adb

[2] Zitiert nach Wittern-Sterzel, Renate: Eine Intrige erschüttert die Universität“. In: 200 Jahre Universitätsklinikum Erlangen 1815 – 2015. Hg. Karl-Heinz Leven/Andreas Plöger. Böhlau: Köln/Weimar/Wien 2016, S. 89.

Quelle: Wittern-Sterzel, Renate: Die Eröffnung des Universitätskrankenhaueses und die ersten Jahre des Bestehens. In: 200 Jahre Universitätsklinikum Erlangen 1815 - 2015. Hg. Karl-Heinz Leven/Andreas Plöger. Böhlau: Köln/Weimar/Wien 2016, S. 83ff.