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"Die Frau memoriert, der Mann studiert"

Rahel Hirsch im Kreis von Kollegen im Arbeitszimmer des Direktors der II. Medizinischen Klinik, Friedrich Kraus | © Charité
Rahel Hirsch im Kreis von Kollegen im Arbeitszimmer des Direktors der
II. Medizinischen Klinik. © Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité.

Die Medizin ist Männern vorbehalten, die Krankenpflege obliegt den Frauen - selten war man sich am Uni-Klinikum Erlangen so einig. Warum das Ende des 19. Jahrhunderts so war und möglichst auch so bleiben sollte, wusste man auch: Frauen memorieren, Männer studieren.

Studierte Ärztinnen unerwünscht

1898 schreckte eine Ankündigung der deutschen Reichsregierung die Ärzteschaft auf: Die Politiker beabsichtigten, Frauen das Medizinstudium zu erlauben. Der 26. Deutsche Ärztetag, der 1898 in Wiesbaden stattfand, reagierte sofort. In einem ausführlichen Referat nahm der Direktor der Erlanger Medizinischen Klinik, Franz Penzoldt (1849-1927), ausführlich Stellung.[1] Zwar seien in einigen Ländern Frauen zum Studium zugelassen, die Situationen in diesen Ländern seien aber nicht mit der in Deutschland zu vergleichen. Hier herrsche - anders als in den menschenleeren Weiten Russlands - kein Mangel an Ärzten. Wem solle dann also in Deutschland eine Zulassung von Frauen zum Medizinstudium nützen, so Penzoldts Frage, um dann "pros and cons" der erweiterten Zulassung zu diskutieren. Seine Abwägung fällt klar zu Ungunsten der Ärztinnen aus. Weder die Patienten noch die Frauen selbst und auch nicht die Ärzteschaft würden von einer ärztlichen Tätigkeit von Frauen profitieren. Die übergeordneten Instanzen, die Hochschulen und der Staat, hätten ebenfalls keinerlei Vorteil zu erwarten. Allein für den Bereich der Zahnheilkunde und der Pharmazie wollte Penzoldt Ausnahmen zulassen: "Die Technik der Zahnbehandlung kann die Frau erlernen, wenn auch meiner Erfahrung nach ihre durchschnittliche manuelle Geschicklichkeit auffallender Weise der des Mannes nachsteht".[2]

"Heilgehilfinnen" willkommen

Anderslautende Meinungen, die die Frauen zur ärztlichen Berufsausübung irrtümlicherweise für gleichermaßen befähigt hielten, beruhten laut Penzoldt einzig und allein auf der Verwechslung von ärztlicher Tätigkeit mit Krankenpflege. Für diese sei die Frau sehr wohl in hohem Maße befähigt. Ausdruck dieser Wertschätzung ist auch Penzoldts an anderer Stelle geäußertes Lob für die Erlanger Kriegspflegerinnen im Ersten Weltkrieg: "Sie haben die Kranken weich gebettet, sauber gekleidet, liebevoll gespeist, für Ordnung und Reinlichkeit gesorgt [...]"[3] Wenn aber den Frauen schon eine Art medizinischer Tätigkeit eröffnet werden soll, so Penzoldt gegen Ende seines Vortrages, dann sei es die Position der "höheren Heilgehilfinnen". Ein gründlich ausgebildeter "Heilgehilfinnenstand" würde in den Kliniken tatsächlich gebraucht, das geprüfte Personal könnte dann unter der Kontrolle des Arztes wichtige, aber zeitraubende Tätigkeiten wie Verbandswechsel oder Magen- und Darmspülungen vor allem bei Patientinnen vornehmen. Penzoldts Fazit dürfte auf breite Zustimmung gestoßen sein: "Wir brauchen keine gelehrten und halbgelehrten, sondern geistig und vor allem körperlich tüchtige Frauen." Frauen sollten sich ihren Aufgaben als Gattinnen, Mütter und Führerinnen des Haushaltes widmen und nicht "auf dem steinigen und dornenvollen Feld der ärztlichen Praxis nach Schätzen graben".[4]

Frauen immer noch Fehlanzeige?

Ärztinnen an Kliniken waren bis in die Weimarer Republik tatsächlich die Ausnahme. Die meisten von ihnen praktizierten nach dem Motto "weibliche Ärzte für weibliche Patienten" in Privatpraxen, als Schulärztinnen oder später in den zahlreichen Eheberatungsstellen der Weimarer Republik. Bis 1933 hatten sich in Deutschland lediglich elf Ärztinnen habilitiert. Als erste Medizinerin in Preußen erhielt Rahel Hirsch, Leiterin der Poliklinik der 2. Medizinischen Klinik an der Charité, einen Professorentitel. "Frauen Fehlanzeige" galt am Erlanger Universitätsklinikum bis weit in die Nachkriegszeit. Während heutzutage die Zahl der Studentinnen mittlerweile die der Studenten übersteigt - aktuell liegt der Frauenanteil bei den eingeschriebenen Studierenden im ersten Fachsemester Medizin bei 65,43% - gibt es Ordinaria zurzeit lediglich in der Zahnheilkunde und damit interessanterweise in dem Bereich, für den schon Penzoldt eine Zulassung von Frauen für zumindest denkbar hielt. Ärztinnen in leitenden Führungspositionen finden sich auch in den selbständigen Abteilungen Nephropathologie, der Molekularen Pneumologie sowie in der Psychosomatik.

[1] Penzoldt, F.: Das Medizinstudium der Frauen. Referat auf dem 26. Deutschen Aerztetag zu Wiesbaden. Jena 1898

[2] Ebenda S. 17f

[3] Penzoldt, [F.]: Die Beteiligung der Universität Erlangen an der Verwundeten- und Krankenpflege. In: Erlangen in der Kriegszeit 1915. Ein Gruß der Universität an ihre Studenten. Erlangen 1915, S. 12 - 14, hier S. 14.

[4] Penzoldt, F.: Das Medizinstudium der Frauen. Referat auf dem 26. Deutschen Aerztetag zu Wiesbaden. Jena 1898, S. 18/19.

[5] FAU, Stabsabteilung - Referat Planung, Führungsinformationssysteme, Statistik (S-PFS)

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