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"Wir knacken jeden Stein"

Endoskopie in der Medizinischen Klinik, 1965
Quelle: Pflegedirektion des Universitätsklinikums Erlangen, Prof. Dr. Christine Fiedler
Endoskopie in der Medizinischen Klinik, 1965
Quelle: Pflegedirektion des Universitätsklinikums Erlangen, Prof. Dr. Christine Fiedler

Die Endoskopie hat am Uni-Klinikum Erlangen eine lange Tradition. Mit "Knick in der Optik" ausgestattet, ermöglichen modernste Endoskope heute tiefe Einblicke in den menschlichen Darm, dessen Bedeutung für die Gesundheit oft unterschätzt wird.

Reisen in das Körperinnere

Schon im ausgehenden 19. Jahrhundert stellte die Behandlung von Magen- und Darmerkrankungen einen Schwerpunkt der Medizinischen Klinik Erlangen dar. Allerdings waren die Krankheiten oft schwer zu diagnostizieren. Ihre Ursachen lagen zumeist, dem ärztlichen Blick entzogen, im Inneren des Magen-Darm-Traktes verborgen. Erst die Entwicklung der modernen Endoskopie ermöglichte dann die Ausleuchtung des Körperinneren. Wichtige medizintechnische Voraussetzung der späteren diagnostischen Erfolge war die Einführung neuer Werkstoffe, so z. B. die Etablierung der Fiberglasoptik 1958 durch den amerikanischen Gastroenterologen Basil Isaac Hirschowitz. Von Erlangen gingen wichtige Impulse sowohl in der endoskopischen Diagnostik als auch für Behandlungsverfahren aus, die heute zum Standardrepertoire gehören. Unter Ludwig Demling (1921 - 1995), Lehrstuhlinhaber für Innere Medizin und Direktor der Medizinischen Klinik von 1966 bis 1986, entwickelte sich Erlangen zu einem internationalen Kompetenzzentrum für Reisen in das Körperinnere. Seit Ende der 1960er-Jahre gelangen hier auf der Basis medizintechnischer Neuerungen wichtige diagnostische Erfolge: 1968 die weltweit erste Duodenoskopie (Spiegelung des Dünndarms) und zwei Jahre später die erste Endoskopisch-Retrograde-Cholangio-Pankreatikographie (ERCP; Darstellung des Gallen- und/oder des Pankreasgangsystems).

Präzisionsarbeit aus der Baracke

1977 wurden Endoskopien auch therapeutisch zur Zertrümmerung von (Gallen-)Steinen eingesetzt. Der Internist Demling galt nach dem Bonmot eines zeitgenössischen Chirurgen daher als "Begründer der endoskopischen Chirurgie". Demlings Fortbildungskurse richteten sich sowohl an Ärzte als an das pflegerische Personal; so fand 1989 bereits der zehnte Erlanger Fortbildungskurs für Endoskopieschwestern und -pfleger statt. Maßgeblichen Anteil an den weiteren Erfolgen hatte der Feinmechanikermeister Rudolf Bauer, der seit 1985 für die Medizinische Klinik in einer ausgedienten Baracke auf dem Klinikgelände die notwendigen Präzisionswerkzeuge fertigte: Zangen, Schlingen, Körbchen, Katheter und Sondenköpfe. Die Qualität der feinen Instrumente, die durch die endoskopischen Schläuche geführt wurden, trug zum Gelingen der endoskopischen Eingriffe maßgeblich bei. Leitsatz der Beteiligten war: "Wir knacken jeden Stein."

Fortführung der internationalen Pionierfunktion

Anlässlich Demlings 70. Geburtstages wurde in Erlangen 1991 eine Vorlesungsreihe eingerichtet. Diese Würdigung der internationalen Pionierfunktion, die Ludwig Demling für die Endoskopie hatte, wird in Erlangen forschungsintensiv weitergeführt: Demling wurde zum Namensgeber des 2014 gegründeten "Ludwig Demling Center für Molekulare Bildgebung" an der Medizinischen Klinik 1 - Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie. Hier arbeiten und forschen Endoskopiker, Molekularbiologen, Physiker, Internisten und Chirurgen an einer innovativen endoskopischen Verfahrenstechnik zur Therapieverbesserung bei Tumor- und Entzündungserkrankungen. Nachdem es Professuren für Molekulare Endoskopie bislang nur an den Uni-Klinika Hamburg und Mainz gab, wurde in Erlangen 2011 die erste Professur in Süddeutschland etabliert. Seitdem existiert an der Medizin 1 die Arbeitsgruppe, "Endoskopische Forschung und Molekulare Endoskopie". Mithilfe hochmoderner, in der Spitze knickbarer Endoskope können die Ärzte auch die Rückseite von Darmfalten betrachten und damit die Möglichkeiten der Früherkennung wesentlich verbessern. Hochflexible Endoskope, innovative bildgebende Techniken und millimetergenaue Instrumente: Die Erlanger Endoskopie verspricht auch weiterhin tiefe Einblicke.

Quelle: 200 Jahre Universitätsklinikum Erlangen, 1815 – 2015. Hg. Karl-Heinz  Leven/Andreas Plöger. Böhlau: Köln/Weimar/Wien 2016, S. 380ff.

www.medizin1.uk-erlangen.de