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Hermann Wintz – Promotor der gynäkologischen Strahlentherapie und erfolgreicher Prominentenarzt für NS-Parteigrößen

Hermann Wintz, Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg
Hermann Wintz, Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg

Die Karriere des Gynäkologen Hermann Wintz verlief rasant. 1921 wurde er Direktor der Erlanger Frauenklinik und baute in den kommenden Jahren, teilweise unter Umgehung der Universitätsverwaltung, die bis dato eher provinzielle Erlanger Frauenklinik zu einem international anerkannten radiologischen Forschungs- und Behandlungszentrum auf.

Joint Venture - Das Wintz'sche Strahleninstitut

Fachlich und technisch versiert, durchsetzungsfähig und dazu bereit, bestehende Vorschriften zu umgehen, brachte Hermann Wintz (1887 - 1947) beste Voraussetzungen für eine Blitzkarriere mit: Wintz war 1913 als Assistent in die Erlanger Frauenklinik eingetreten. Innerhalb von nur neun Jahren war er im Alter von 33 Jahren zum jüngsten ordentlichen Professor für Geburtshilfe und Frauenheilkunde in Deutschland aufgestiegen. Vom damaligen Klinikchef Ludwig Seitz (1872 - 1961), seit 1910 Direktor der Klinik, gefördert, hatte Wintz seinen Schwerpunkt zunächst auf experimentelle Untersuchungen zur Verbesserung der Strahlentherapie gelegt. Vor allem aber setzte der innovationsfreudige Taktiker Wintz bei der Entwicklung der Röntgenstrahlenbehandlung konsequent auf die Zusammenarbeit mit der ortsansässigen medizintechnischen Industrie, der Reiniger, Gebbert & Schall AG (RGS). Zusammen mit den RGS-Technikern erarbeitete Wintz, selbst manuell überaus geschickt, zahlreiche Verbesserungen für die damals üblichen Röntgenbestrahlungseinrichtungen. Gleichzeitig entwickelte er gemeinsam mit Ludwig Seitz zwischen 1914 und 1918 mit dem sogenannten "Röntgen-Wertheim" eine von vielen Experten als revolutionär empfundene Therapiemethode bei Gebärmutterkrebs.[1] Kennzeichen dieses Erlanger Verfahrens war die von Gegnern der Behandlungsform scharf kritisierte Einzeitigkeit der Strahlenbehandlung. Hierbei wurde die vorgesehene Gesamtdosis der Strahlen nicht über Tage oder Wochen verteilt, sondern in nur drei Sitzungen verabreicht. Tatsächlich führte die Strahlentherapie bei gynäkologischen Krebserkrankungen häufig zu stärksten Hautverbrennungen. Aufgrund dieser massiven Strahlenschäden sprachen Wintz und Seitz später von einem therapeutischen Irrweg und einer "barbarischen Methode".[2]

Beste Kontakte zur NS-Politprominenz und Gauleitung

Wintz verfügte als Arzt, Wissenschaftler und später als Hochschulrektor über beste Kontakte zur den Vertretern der NS-Prominenz. Zu seinen Patienten zählten daher nicht nur zahlungskräftige Privatpatienten aus dem In- und Ausland, sondern auch enge Angehörige von NS-Parteigrößen. So behandelte er offenbar den krebskranken Vater des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess (1894 - 1987), die Gattin des Herausgebers des antisemitischen Hetzblattes "Der Stürmer", Julius Streicher (1885 - 1946), sowie die Frau des Nachfolgers von Streicher, Karl Holz (1895 - 1945). Bei Kriegsende sollte Wintz seine Kontakte zur Gauleitung nutzen, um den Gauleiter Holz von dessen aberwitzigen Plan abzubringen, Erlangen als letzte Bastion zu verteidigen.   Von 1938 - 1944 war Wintz Rektor der Hochschule. Während seiner Amtszeit arbeiteten Universitäts- und Gauleitung reibungslos und harmonisch zusammen. Anders als sein Amtsvorgänger Fritz Specht (1890 - 1972), der Ordinarius für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, der die Universität als "Soldat Adolf Hitlers" führen wollte und dem die "Nationalisierung" der Universität nicht weit genug ging, gehörte der 1935 in die Partei eingetretene Wintz nicht zu den rhetorischen "Scharfmachern". Allerdings war er, als es um die Neubesetzung ging, immerhin Wunschkandidat der Gauleitung, da er das autoritäre NS-Führerprinzip verinnerlicht hatte und gewillt war, als "Rektorführer" seine Pläne auch mithilfe von radikalen Personalentscheidungen durchzusetzen.

Verfechter der NS-Erbgesundheitspolitik: Zwangssterilisation und Zwangsabtreibungen

Unter der Leitung von Hermann Wintz wurde die neue NS-Erbgesundheitspolitik öffentlich begrüßt. In konsequenter und eilfertiger Ausübung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN) wurden in Erlangen von 1934 bis 1944 mindestens 513 Frauen zwangssterilisiert. Rudolf Dyroff (1893 - 1966), Oberarzt der Frauenklinik, hatte zur Modifizierung des damals gängigen operativen Verfahrens der Tubensterilisation 1935 eine eigene Methode entwickelt. Trotzdem waren Komplikationen wie Infektionen und Wundheilungsstörungen häufig, zwei Patientinnen starben nach der Operation sogar. Die meisten Frauen waren Patientinnen der Erlanger Heil- und Pflegeanstalt und der Psychiatrischen Klinik. Neben der praktischen Durchführung der Zwangssterilisationen war die Frauenklinik auch durch Begutachtung und Antragsstellung bürokratisch stark in die reibungslose Umsetzung des GzVeN involviert. Wintz war als Klinikdirektor außerdem verantwortlich für die Zwangsabtreibungen an osteuropäischen Zwangsarbeiterinnen, den sogenannten "Ostarbeiterinnen". Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Wintz aufgrund seiner Unterstützung der NS-Politik von der US-amerikanischen Militärregierung aus seinem Amt entlassen.


[1] Vgl. Seitz, Ludwig/Wintz, Hermann: Unsere Methode der Röntgen-Tiefentherapie und ihre Erfolge. Wien 1920.

[2] Frobenius, Wolfgang: Stichwort „Röntgen-Wertheim“. Gynäkologische Strahlentherapie in Erlangen (1914 – 1945). In: Von Gebärhaus und Retortenbaby. 175 Jahre Frauenklinik Erlangen. Hg. Astrid Ley/Marion Maria Ruisinger. Nürnberg 2003, S. 92 – 109. Vgl. auch http://www.175jahrefrauenklinik.de;  http://www.frauenklinik.uk-erlangen.de/ueber-uns/unsere-historie/

Literatur: 200 Jahre Universitätsklinikum Erlangen 1815 – 2015. Hg. Karl-Heinz Leven/Andreas Plöger. Böhlau: Köln/Weimar/Wien 2016, S. 184 – 206 (Fritz Dross, Wolfgang Frobenius); S. 234 – 241 (Philipp Rauh).