Experimente am Menschenhirn
Besonders die massiven Kopfverletzungen boten für Forschung und Lehre unzählige neue Fälle: "Da hat nun der Krieg in einer unerhörten und furchtbaren Mannigfaltigkeit am Menschenhirn Experimente angestellt" so der Erlanger Stabsarzt, Karl Kleist. Kleist, Psychiater in belgischen Kriegslazaretten, dachte "mit Freude daran, wenn ich wieder vor meinen Hörern stehen werde, um das lehrend weiterzugeben, was ich vom Krieg gelernt habe".[6] Kleists spätere Veröffentlichung "Kriegsverletzungen des Gehirns in ihrer Bedeutung für die Hirnlokalisation und Hirnpathologie" vermittelt mit ihren Fallvorstellungen heutigen Lesern eine ungefähre Ahnung von den gravierenden motorischen, sensorischen und psychischen Folgen der Gehirnschussverletzungen.
Schädelsteckschüsse lokalisieren
Die deutsche Kriegschirurgie, mit der Orthopädie das kriegswichtigste Fach, suchte dringend nach neuen diagnostischen Möglichkeiten. Der von Albert Hasselwander (1877-1954), Professor für Anatomie an der Universität Erlangen, entwickelte Stereoskiagraph ermöglichte erstmals eine präzise Lokalisation von Schädelsteckschüssen. Der Stereoskiagraph bestand aus einem Spiegelstereoskop aus zwei rechtwinklig gegeneinander geneigten Spiegeln und einem Messtisch, auf dem der durch einen leuchtenden Punkt markierte Fremdkörper nach Tiefe und Breite aufgezeichnet wurde. Das Verfahren wurde von Hasselwander in zahlreichen Veröffentlichungen vorgestellt und als beste Lokalisationsmethode in der Steckschusschirurgie intensiv beworben. "So kann wohl ohne Uebertreibung behauptet werden, daß jene universelle Verwendung, welche [...] schon seit Jahren für das Stereoskopverfahren gefordert wird, durch die objektiv arbeitende Ausgestaltung nun erreicht ist, welche wir den Untersuchungen Professor Hasselwanders verdanken." Tatsächlich gestattete das Verfahren messtechnisch eine exakte Lagebestimmung.
Röntgenstrahlen fürs Vaterland
Die in Erlangen ansässige Reiniger, Gebbert & Schall AG hatte für den frontnahen Einsatz spezielle Feldröntgenmobile produziert, die innere Verletzungen und Brüche in bislang ungekannter Präzision nachweisen. konnten: "Technik und Wissenschaft gehen in höchster Vollendung Hand in Hand [...]. Und unter all den modernen Heilmitteln, die unsere Ärzte anzuwenden wissen, ragt als besonders wichtig das Röntgenverfahren hervor". Um eine flächendeckende Ausstattung mit den neuen Apparaten finanzieren zu können, wurde wiederum die "Heimatfront" zu Spenden aufgefordert: "Wollt Ihr, die Ihr zuhause geblieben seid und nicht draußen kämpfen könnt fürs Vaterland dazu beitragen, dass [...] sie [die Verletzten] in kürzester Zeit möglichst unvermindert felddienst- oder erwerbsfähig entlassen werden können [...] so sorgt dafür, daß den Ärzten in den Lazaretten Röntgenapparate zur Verfügung stehen und Ärzte und Verwundete und das ganze Vaterland werden es Euch zu danken wissen" .